1795 – 1875
Du hemmst nicht den Strom in
seinem Lauf,
Der will hinab mit raschen
Wogen fließen,
Nichts kann ihn binden, nichts
ihn halten auf,
Sich in des Meeres Becken
einzugießen.
So auch das Leben wogend uns
entrauscht,
Im Fluge drängen Stunden sich
an Stunden,
Eh’ du den Schlag der
schnellen Zeit belauscht,
Ist schon wie im Moment sie
dir entschwunden.
Zurück bringst du nicht einen
Augenblick,
Willst du mit Gold und Silber
darum werben;
Das ist des Menschen trauriges
Geschick,
Daß, ob wir leben, doch wir
täglich sterben.
Drum, weil du lebend bist dem
Tod geweiht,
Mach dich zum Ende jeden Tag
bereit.
1795 – 1875
Gleichwie im Herbste welkt des
Baumes Laub,
Im Windeswehen knisternd
abzufallen,
So auch sind wir, die wir
hienieden wallen,
Ein welkend Blatt, des Todes
sichrer Raub.
Von Staub genommen werden wir
zu Staub;
Wie auch das Leben mag uns
noch gefallen,
Der Tod, wenn streckt er seine
scharfen Krallen
Uns dräuend aus, bleibt unsern
Klagen taub.
Doch schicken wir uns guten
Muths darein,
Weil wird, wenn muß das Leben
welkend enden,
Dereinst um uns ewger Frühling
sein.
Dann werden Blumen, die uns
hier verwehn,
Aufsprießen neu in Gottes
Segenshänden,
Und wandellos in frischer
Blüthe stehn.
1795 – 1875
Memento mori! woll’ es in das
Herz,
Dieß ernste Sprüchlein, dir
zur Mahnung schreiben,
Denn eilend gehet unser Weg
abwärts,
Und will im Flug uns hin ans
Ende treiben.
Wohl ist das Scheiden Jedem
hart und schwer,
Weil ketten wir so gern uns an
das Leben,
Und wollen, ists auch öd und
freudenleer,
Mit bitterm Leid in Todes Hand
es gehen.
Doch aufwärts geht, nach oben
unser Lauf,
Wohin im Frieden jenen Tag wir
ziehen,
Dann schließen sich des
Himmels Pforten auf,
Wo ewge Freuden werden uns
erblühen.
Memento mori! schreib dirs in
den Sinn,
Doch denk zugleich, daß
Sterben ist Gewinn.
1795 – 1875
O schweres Loos, den
Sterblichen beschieden,
Zu trennen sich vom
heißgeliebten Leben,
Dem Tod es hin zum bittern
Raub zu geben,
O traurig Loos, gefallen uns
hienieden!
Was wir erworben, was in
stillem Frieden
Genossen wir, was wollt’ das
Herz uns heben,
Zu süßer Lust sich innig uns
verweben,
es wird von uns durch Todes
Hand geschieden.
Wie dunkle Wolken an dem
Himmel hangen,
Sich drohend über unser Haupt
zu breiten,
So sehen wir das Ende nahn mit
Bangen.
Drum wenn den letzten harten
Kampf wir streiten,
Des Todes Schatten unsern Geist
umfangen,
Woll’ uns der Herr zum ende
hin geleiten.
1795 – 1875
Du sagst: Gib mir, wenn soll
dereinst ich scheiden
Vom Leben, wenn mir schon die
Kniee wanken,
Gib sterbend mir noch einen
Hochgedanken,
Mich still daran zum letzten
Hauch zu weiden.
Wenn dann umfangen mich des
Todes Leiden,
Die Sinne mir als wie in Wogen
schwanken,
Will ich daran mit festem Arm
mich ranken
Zu süßem Troste, bis ich muß
verscheiden.
So sagst du. Nun denk ihn, der
einst mit Wunden
Ist blutend an dem
Kreuzesstamm gehangen,
Denk ihn dir in den letzten
schweren Stunden.
Er hat den Tod mit sich ans
Holz geschlagen,
Die Schuld gesühnt, gelöst des
Todes Bangen;
Mit ihm kannst du den harten
Kampf wohl wagen.
1795 – 1875
Dem Schlafe will man gern den
Tod vergleichen,
Zu mildern seine allzuschweren
Schrecken,
Der wird uns einst mit kalter
Erde decken,
Die Lippen uns mit
Todesblässen bleichen.
Gleichwie des Tages Mühen uns
entweichen,
Wenn wir uns hin zur süßen
Ruhe strecken,
Bis wird der Morgen aus dem
Schlaf uns wecken,
So wird der Tod die
Friedenshand uns reichen.
Wenn dann zum Leben einst wir
auferstehen,
Geht uns am Himmel auf ein
goldner Morgen,
Und wird mit linden Hauchen
uns umwehen.
Was wir geträumt, gehofft,
wird sich erfüllen,
In Freuden wandeln sich des
Lebens Sorgen,
Und jede heiße Sehnsucht wird
sich stillen.
1795 – 1875
Wenn matter einst des Herzens
Pulse schlagen,
Der Augen Licht beginnet zu
ersterben,
Die Lippen sich im blassen Tod
entfärben,
O laßt uns dann nicht
hoffnungslos verzagen!
Wird doch der letzte von den
irdschen Tagen,
Um die wir noch mit stiller
Freude werben,
Uns tragen hin, wo wir das
Reich ererben,
Das wollt’ der Herr uns
feierlich zusagen.
Wenn bricht das Herz im harten
Todesstoße,
Darf nieder sich das müde
Haupt uns neigen,
Zu legen sich zum stillen
Friedensschoße.
Dann schmückt uns nach dem
Kampf die Siegeskrone,
Des Herzens laute Klagen
werden schweigen,
Und jauchzend stehen wir vor
Gottes Throne.
1795 – 1875
Wenn zieht ein Kind hinaus in
weite Ferne,
Sehnt es zurück sich nach dem
Heimathlande,
Wo sind geknüpft ihm
enggeschlungne Bande,
Wo schöner leuchten Mond und
alle Sterne.
Ob man es hegt im fremden Land
so gerne,
Die Zeit ihm kürzt mit Spiel
und süßem Tande,
Doch zieht die Sehnsucht hin
es nach dem Strande,
Wo ihm das Herz gejauchzt in
seinem Kerne.
So auch zieht uns ein
stilltes, tiefes Sehnen
Hin nach der Heimath, nach dem
Vaterhause,
Wo ewge Stätten sind uns
aufgehoben.
Und gleichwie Adler ihre
Flügel dehnen,
Sich aufzuschwingen über
Sturmgebrause,
Strebt unser Geist mit kühnem
Flug nach oben.
1795 – 1875
Wer sind es, die in
dichtgedrängten Schaaren
Sich in die Fluth auf
schwanken Schiffen wagen,
Die Ruder in die lauten Wellen
schlagen,
Und eilig hin ans sichre Ufer
fahren?
Wir sind es selbst, die wir
von fern gewahren
Das Heimathland, dahin nach
stürmschen Tagen
Des Lebens Schifflein rettend
soll uns tragen,
Weg übers Meer und über
Todsgefahren.
Und wenn wir landen, wird uns
freundlich grüßen
So Mancher, der uns schon
vorangezogen,
Von dem mit bittern Thränen
wir geschieden.
Dann schweigt der Sturm, die
Angst liegt uns zu Füßen,
Die Sonne spiegelt sich in
stillen Wogen,
Und was da athmet, ruht in
süßem Frieden.
1795 – 1875
So Viele mußt’ mit
herbempfundnem Wehe
Dem Grab ich schon zum Raube
überlassen;
Als sah ich sie im kalten Tod
erblassen,
Da wars, als wenn durch Mark
und Bein mir gehe.
Und wenn an ihrem Grab ich
trauernd stehe,
Die nicht mehr kann ich in die
Arme fassen,
Fühl’ ich verwaist mich,
einsam und verlassen,
Hinsehnend mich nach ihrer
lieben Nähe.
Doch nicht zurück kann ich sie
bringen wieder,
Ob jammern mag ich, weinen,
seufzen, klagen,
Hinschwinden wie in bittre
Trauerlieder.
Der Schmerz allein geht mir
noch an der seiten,
Der, sich erneuernd mir zu
jeden Tagen,
Muß auf dem Weg zum Ende mich
begleiten.
1795 – 1875
Was ists, daß wir getrost in
Gräber schauen,
Wo schlafen sie, zu Lieb uns
einst erkoren,
Die wir mit schwerem Herzeleid
verloren,
Was ists, daß will uns vor dem
Tod nicht grauen?
Weil sich im Himmel ewge
Stätten bauen,
Wo sind zu neuem Leben sie
geboren,
Die sich zu Treuen einst uns
zugeschworen,
Drum dürfen wir dem Grab sie
still vertrauen.
Mit Kränzen wollen wir die
Stätten schmücken,
Wo ruhen sie, mit frischen Immortellen,
Des Grabes Kammern lieblich
uns zu hellen.
Und wenn er tagt, der große
Ostermorgen,
Dann werden sie, in sicherm
Schooß geborgen,
Erwachen uns zu ewigem
Entzücken.
1795 – 1875
Nicht immer kann man hier auf
Erden bleiben,
Es eilen rasch die
leichtbeschwingten Jahre,
Es wankt der Fuß, es bleichen
sich die Haare,
Und abwärts will uns jede
Stunde treiben.
So viel will mir die Zeit in
Staub zerreiben,
Was ich so gern mir noch am
Herzen wahre;
Bald lieg’ ich selbst auf
harter Todten bahre,
Dann wollt auf meinen
Leichenstein mir schreiben:
„Hier liegt im Schooß der Erde
still begraben,
Der gottgetrost und fröhlich
blieb im Geiste,
Ob viel des Theuern ihm
erlosch im Leben.“
Das schreibt mir hin, denn so
will gern ich haben,
Doch was ich jetzt und künftig
etwa leiste,
Das wollt mir nicht an meinem
Grab erheben.
1795 - 1875
Wo gern einmal ich möcht
begraben sein,
Dort wär’ es, wo mir
Lieblingsblumen sprießen,
Wo theure Gräber nahe mich
umschließen,
Dort möcht’ dereinst ich gern
begraben sein.
Die Ruhestätte, die dann wäre
mein,
Es müßten Thränen drüber sich
ausgießen,
Die mir zu Leid aus treuen
Herzen fließen;
Ich nennte dann sie doppelt
gerne mein.
Wenn schauten dann die Berge
noch herein
Aufs stille Grab mit
hochgehobnen Blicken,
Wie könnten sie so lieblich es
mir schmücken!
Und würden weiche, laue Winde
wehen,
Wo darf es zwischen duftgen
Blumen stehen,
So wärs, als zöge mir der Lenz
herein.
1795 – 1875
Gönnt mir die Ruh im stillen
Grabesschooße,
Wenn bin hinweg ich aus der
Zeit gehoben,
Dieweil mir dort im schönen
Himmel oben
Aufs Lieblichste gefallen sind
die Loose.
Wie auch die Zeit sich bitter
noch verbose,
Die Lüge will, das Unrecht
schmeichelnd loben,
Die Wahrheit lästern, wider
sie antoben,
Ich ruh’ im Frieden unterm
stillen Moose.
Ruft nicht zurück mich, daß
ich nochmals streite
Den Kampf, den ich im Leben
schon gestritten,
Darunter ich manch herbes Leid
erlitten.
Wünscht nicht zurück mich,
nochmals Hand zu legen
Mühsam ans Werk auf so viel
sauren Wegen,
Daß ich im Schweiß des Angesichts
arbeite.
1795 – 1875
Noch ist es schön, wo pilgernd
wallen wir,
Auf Gottes Welt, gesonnt von
Licht und Leben,
Doch immer will den schönsten
Freuden hier
Der Schmerz sich noch zum
engen Bund verweben.
Der paradiesische Glanz, der
einst der Welt
Im Anfang war zu ihrem
Scvhmuck erkoren,
Der lieblich immer sich ihr
zugesellt,
Er ging der Menschheit, der
Natur verloren.
Es harren beide sehnsuchtsvoll
der Zeit,
Wo wird das Leben wieder sich
verjüngen,
Wo es zum ersten Glanze sich
erneut,
Und wird zurück uns das
Verlorne bringen.
So geht es auf des Lebens
rauher Bahn,
Ob tief hinab, zuletzt doch
hoch hinan.