Friedrich von Boeckh            Flucht der Zeit

1795 – 1875

Du hemmst nicht den Strom in seinem Lauf,

Der will hinab mit raschen Wogen fließen,

Nichts kann ihn binden, nichts ihn halten auf,

Sich in des Meeres Becken einzugießen.

 

So auch das Leben wogend uns entrauscht,

Im Fluge drängen Stunden sich an Stunden,

Eh’ du den Schlag der schnellen Zeit belauscht,

Ist schon wie im Moment sie dir entschwunden.

 

Zurück bringst du nicht einen Augenblick,

Willst du mit Gold und Silber darum werben;

Das ist des Menschen trauriges Geschick,

Daß, ob wir leben, doch wir täglich sterben.

 

Drum, weil du lebend bist dem Tod geweiht,

Mach dich zum Ende jeden Tag bereit.

 

 

 

 

Friedrich von Boeckh            Fallend Laub

1795 – 1875

Gleichwie im Herbste welkt des Baumes Laub,

Im Windeswehen knisternd abzufallen,

So auch sind wir, die wir hienieden wallen,

Ein welkend Blatt, des Todes sichrer Raub.

 

Von Staub genommen werden wir zu Staub;

Wie auch das Leben mag uns noch gefallen,

Der Tod, wenn streckt er seine scharfen Krallen

Uns dräuend aus, bleibt unsern Klagen taub.

 

Doch schicken wir uns guten Muths darein,

Weil wird, wenn muß das Leben welkend enden,

Dereinst um uns ewger Frühling sein.

 

Dann werden Blumen, die uns hier verwehn,

Aufsprießen neu in Gottes Segenshänden,

Und wandellos in frischer Blüthe stehn.

 

 

 

 

 

Friedrich von Boeckh            Memento mori

1795 – 1875

Memento mori! woll’ es in das Herz,

Dieß ernste Sprüchlein, dir zur Mahnung schreiben,

Denn eilend gehet unser Weg abwärts,

Und will im Flug uns hin ans Ende treiben.

 

Wohl ist das Scheiden Jedem hart und schwer,

Weil ketten wir so gern uns an das Leben,

Und wollen, ists auch öd und freudenleer,

Mit bitterm Leid in Todes Hand es gehen.

 

Doch aufwärts geht, nach oben unser Lauf,

Wohin im Frieden jenen Tag wir ziehen,

Dann schließen sich des Himmels Pforten auf,

Wo ewge Freuden werden uns erblühen.

 

Memento mori! schreib dirs in den Sinn,

Doch denk zugleich, daß Sterben ist Gewinn.

 

 

 

 

 

 

Friedrich von Boeckh            Des Todes Bangen

1795 – 1875

O schweres Loos, den Sterblichen beschieden,

Zu trennen sich vom heißgeliebten Leben,

Dem Tod es hin zum bittern Raub zu geben,

O traurig Loos, gefallen uns hienieden!

 

Was wir erworben, was in stillem Frieden

Genossen wir, was wollt’ das Herz uns heben,

Zu süßer Lust sich innig uns verweben,

es wird von uns durch Todes Hand geschieden.

 

Wie dunkle Wolken an dem Himmel hangen,

Sich drohend über unser Haupt zu breiten,

So sehen wir das Ende nahn mit Bangen.

 

Drum wenn den letzten harten Kampf wir streiten,

Des Todes Schatten unsern Geist umfangen,

Woll’ uns der Herr zum ende hin geleiten.

 

 

 

 

 

Friedrich von Boeckh            Der letzte Kampf

1795 – 1875

Du sagst: Gib mir, wenn soll dereinst ich scheiden

Vom Leben, wenn mir schon die Kniee wanken,

Gib sterbend mir noch einen Hochgedanken,

Mich still daran zum letzten Hauch zu weiden.

 

Wenn dann umfangen mich des Todes Leiden,

Die Sinne mir als wie in Wogen schwanken,

Will ich daran mit festem Arm mich ranken

Zu süßem Troste, bis ich muß verscheiden.

 

So sagst du. Nun denk ihn, der einst mit Wunden

Ist blutend an dem Kreuzesstamm gehangen,

Denk ihn dir in den letzten schweren Stunden.

 

Er hat den Tod mit sich ans Holz geschlagen,

Die Schuld gesühnt, gelöst des Todes Bangen;

Mit ihm kannst du den harten Kampf wohl wagen.

 

 

 

 

 

Friedrich von Boeckh            Schlaf und Tod

1795 – 1875

Dem Schlafe will man gern den Tod vergleichen,

Zu mildern seine allzuschweren Schrecken,

Der wird uns einst mit kalter Erde decken,

Die Lippen uns mit Todesblässen bleichen.

 

Gleichwie des Tages Mühen uns entweichen,

Wenn wir uns hin zur süßen Ruhe strecken,

Bis wird der Morgen aus dem Schlaf uns wecken,

So wird der Tod die Friedenshand uns reichen.

 

Wenn dann zum Leben einst wir auferstehen,

Geht uns am Himmel auf ein goldner Morgen,

Und wird mit linden Hauchen uns umwehen.

 

Was wir geträumt, gehofft, wird sich erfüllen,

In Freuden wandeln sich des Lebens Sorgen,

Und jede heiße Sehnsucht wird sich stillen.

 

 

 

 

 

 

Friedrich von Boeckh            Hoffnungsblick

1795 – 1875

Wenn matter einst des Herzens Pulse schlagen,

Der Augen Licht beginnet zu ersterben,

Die Lippen sich im blassen Tod entfärben,

O laßt uns dann nicht hoffnungslos verzagen!

 

Wird doch der letzte von den irdschen Tagen,

Um die wir noch mit stiller Freude werben,

Uns tragen hin, wo wir das Reich ererben,

Das wollt’ der Herr uns feierlich zusagen.

 

Wenn bricht das Herz im harten Todesstoße,

Darf nieder sich das müde Haupt uns neigen,

Zu legen sich zum stillen Friedensschoße.

 

Dann schmückt uns nach dem Kampf die Siegeskrone,

Des Herzens laute Klagen werden schweigen,

Und jauchzend stehen wir vor Gottes Throne.

 

 

 

 

 

 

Friedrich von Boeckh            Sehnsucht nach der Heimath

1795 – 1875

Wenn zieht ein Kind hinaus in weite Ferne,

Sehnt es zurück sich nach dem Heimathlande,

Wo sind geknüpft ihm enggeschlungne Bande,

Wo schöner leuchten Mond und alle Sterne.

 

Ob man es hegt im fremden Land so gerne,

Die Zeit ihm kürzt mit Spiel und süßem Tande,

Doch zieht die Sehnsucht hin es nach dem Strande,

Wo ihm das Herz gejauchzt in seinem Kerne.

 

So auch zieht uns ein stilltes, tiefes Sehnen

Hin nach der Heimath, nach dem Vaterhause,

Wo ewge Stätten sind uns aufgehoben.

 

Und gleichwie Adler ihre Flügel dehnen,

Sich aufzuschwingen über Sturmgebrause,

Strebt unser Geist mit kühnem Flug nach oben.

 

 

 

 

 

Friedrich von Boeckh            Heimfahrt

1795 – 1875

Wer sind es, die in dichtgedrängten Schaaren

Sich in die Fluth auf schwanken Schiffen wagen,

Die Ruder in die lauten Wellen schlagen,

Und eilig hin ans sichre Ufer fahren?

 

Wir sind es selbst, die wir von fern gewahren

Das Heimathland, dahin nach stürmschen Tagen

Des Lebens Schifflein rettend soll uns tragen,

Weg übers Meer und über Todsgefahren.

 

Und wenn wir landen, wird uns freundlich grüßen

So Mancher, der uns schon vorangezogen,

Von dem mit bittern Thränen wir geschieden.

 

Dann schweigt der Sturm, die Angst liegt uns zu Füßen,

Die Sonne spiegelt sich in stillen Wogen,

Und was da athmet, ruht in süßem Frieden.

 

 

 

 

 

Friedrich von Boeckh            Klage

1795 – 1875

So Viele mußt’ mit herbempfundnem Wehe

Dem Grab ich schon zum Raube überlassen;

Als sah ich sie im kalten Tod erblassen,

Da wars, als wenn durch Mark und Bein mir gehe.

 

Und wenn an ihrem Grab ich trauernd stehe,

Die nicht mehr kann ich in die Arme fassen,

Fühl’ ich verwaist mich, einsam und verlassen,

Hinsehnend mich nach ihrer lieben Nähe.

 

Doch nicht zurück kann ich sie bringen wieder,

Ob jammern mag ich, weinen, seufzen, klagen,

Hinschwinden wie in bittre Trauerlieder.

 

Der Schmerz allein geht mir noch an der seiten,

Der, sich erneuernd mir zu jeden Tagen,

Muß auf dem Weg zum Ende mich begleiten.

 

 

 

 

Friedrich von Boeckh            Trost

1795 – 1875

Was ists, daß wir getrost in Gräber schauen,

Wo schlafen sie, zu Lieb uns einst erkoren,

Die wir mit schwerem Herzeleid verloren,

Was ists, daß will uns vor dem Tod nicht grauen?

 

Weil sich im Himmel ewge Stätten bauen,

Wo sind zu neuem Leben sie geboren,

Die sich zu Treuen einst uns zugeschworen,

Drum dürfen wir dem Grab sie still vertrauen.

 

Mit Kränzen wollen wir die Stätten schmücken,

Wo ruhen sie, mit frischen Immortellen,

Des Grabes Kammern lieblich uns zu hellen.

 

Und wenn er tagt, der große Ostermorgen,

Dann werden sie, in sicherm Schooß geborgen,

Erwachen uns zu ewigem Entzücken.

 

 

 

 

 

 

Friedrich von Boeckh            Grabschrift

1795 – 1875

Nicht immer kann man hier auf Erden bleiben,

Es eilen rasch die leichtbeschwingten Jahre,

Es wankt der Fuß, es bleichen sich die Haare,

Und abwärts will uns jede Stunde treiben.

 

So viel will mir die Zeit in Staub zerreiben,

Was ich so gern mir noch am Herzen wahre;

Bald lieg’ ich selbst auf harter Todten bahre,

Dann wollt auf meinen Leichenstein mir schreiben:

 

„Hier liegt im Schooß der Erde still begraben,

Der gottgetrost und fröhlich blieb im Geiste,

Ob viel des Theuern ihm erlosch im Leben.“

 

Das schreibt mir hin, denn so will gern ich haben,

Doch was ich jetzt und künftig etwa leiste,

Das wollt mir nicht an meinem Grab erheben.

 

 

 

 

 

 

Friedrich von Boeckh            Grabstätte

1795 - 1875

Wo gern einmal ich möcht begraben sein,

Dort wär’ es, wo mir Lieblingsblumen sprießen,

Wo theure Gräber nahe mich umschließen,

Dort möcht’ dereinst ich gern begraben sein.

 

Die Ruhestätte, die dann wäre mein,

Es müßten Thränen drüber sich ausgießen,

Die mir zu Leid aus treuen Herzen fließen;

Ich nennte dann sie doppelt gerne mein.

 

Wenn schauten dann die Berge noch herein

Aufs stille Grab mit hochgehobnen Blicken,

Wie könnten sie so lieblich es mir schmücken!

 

Und würden weiche, laue Winde wehen,

Wo darf es zwischen duftgen Blumen stehen,

So wärs, als zöge mir der Lenz herein.

 

 

 

 

 

 

Friedrich von Boeckh            Grabesruhe

1795 – 1875

Gönnt mir die Ruh im stillen Grabesschooße,

Wenn bin hinweg ich aus der Zeit gehoben,

Dieweil mir dort im schönen Himmel oben

Aufs Lieblichste gefallen sind die Loose.

 

Wie auch die Zeit sich bitter noch verbose,

Die Lüge will, das Unrecht schmeichelnd loben,

Die Wahrheit lästern, wider sie antoben,

Ich ruh’ im Frieden unterm stillen Moose.

 

Ruft nicht zurück mich, daß ich nochmals streite

Den Kampf, den ich im Leben schon gestritten,

Darunter ich manch herbes Leid erlitten.

 

Wünscht nicht zurück mich, nochmals Hand zu legen

Mühsam ans Werk auf so viel sauren Wegen,

Daß ich im Schweiß des Angesichts arbeite.

 

 

 

 

 

 

Friedrich von Boeckh            Des Lebens Verjüngung

1795 – 1875

Noch ist es schön, wo pilgernd wallen wir,

Auf Gottes Welt, gesonnt von Licht und Leben,

Doch immer will den schönsten Freuden hier

Der Schmerz sich noch zum engen Bund verweben.

 

Der paradiesische Glanz, der einst der Welt

Im Anfang war zu ihrem Scvhmuck erkoren,

Der lieblich immer sich ihr zugesellt,

Er ging der Menschheit, der Natur verloren.

 

Es harren beide sehnsuchtsvoll der Zeit,

Wo wird das Leben wieder sich verjüngen,

Wo es zum ersten Glanze sich erneut,

Und wird zurück uns das Verlorne bringen.

 

So geht es auf des Lebens rauher Bahn,

Ob tief hinab, zuletzt doch hoch hinan.